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Erfahrungsbericht: Craniosacral Therapie bei einem Schleudertrauma
Den Rhythmus ins Gleichgewicht bringen.

Der vorliegende Erfahrungsbericht wurde journalistisch aufbereitet und mit Fachinformationen ergänzt.

Quelle: Branchenverband Craniosuisse
 

Ein Knall und Sybilles Kopf wird erst nach vorn und dann ruckartig wieder zurückgeschleudert. Orientierungslosigkeit. Was ist geschehen? Mit ziemlicher Wucht hat ein Auto das Taxi gerammt, in dem Sybille ohne Gurt auf dem Rücksitz sitzt. Glück gehabt, nichts verletzt – so scheint es zumindest. Zwei Stunden später sitzt sie wie geplant wieder an ihrem Arbeitsplatz. Abends fühlt sie sich erschöpft. Auch am nächsten Tag ist sie nicht auf der Höhe. Sie fühlt sich ausgelaugt und spürt, wie sie ihre letzten Energiereserven benötigt. Beim Mittagessen fragt ihre Tochter, was denn mit ihr los sei, sie wirke so abwesend. Sybille hat keine Antwort. Sie merkt nur, dass sie sich neben den Schuhen fühlt und ihr alles zu viel ist. Am nächsten Morgen kann sie den Kopf nicht mehr bewegen. Da wird ihr klar, dass sie handeln muss. Umgehend vereinbart sie einen Termin bei ihrem Hausarzt. Auf dem Weg zu seiner Praxis fühlen sich ihr Nacken- und Schulterbereich hart und steif wie ein Brett an. Die Schmerzen strahlen in den ganzen Rücken aus.


Ihr Arzt untersucht sie sorgfältig und kann doch nichts finden. Die Röntgenbilder zeigen weder Knochenbrüche noch Gelenksverletzungen. Aufgrund der Schilderung des Auffahrunfalls vermutet er ein Schleudertrauma und empfiehlt Sybille in die Craniosacral Therapie zu gehen, weil mehrere seiner Patienten damit gute Erfahrungen gemacht hätten. Zudem erwähnt er eine neuere Studie, die die Wirkung von Craniosacral Therapie bei
Patienten mit chronischen Nackenschmerzen belegt. Nicht nur deren Schmerzen hätten
signifikant abgenommen, auch der Allgemeinzustand der Patienten habe sich verbessert.*


Den Körper als «Ganzes» verstehen

Sybille wartet nicht lange. Im Internet sucht sie die Nummer einer Craniosacral Therapeutin in ihrer Nähe heraus. Wenig später sitzt sie im Behandlungszimmer und beantwortet Fragen zum Grund ihres Besuchs. Sie schildert den Unfall und wird aufgefordert in ihren Körper hinein zu spüren, um möglichst genau beschreiben zu können, wie sie sich gerade fühlt. Als sie sich in ihrem Schmerz zu verlieren droht, fordert die Therapeutin sie auf ein paar tiefere Atemzüge zu nehmen und ihre Füsse im Kontakt mit dem Boden zu spüren. Eine einfache Übung, die Sybille hilft wieder ins Hier und Jetzt zurückzukommen. Sybille muss auch Fragen nach früheren Verletzungen, Krankheiten und Operationen beantworten. Erst da erinnert sie sich: Sie kennt dieses Gefühl von Nackenschmerz, Erschöpfung und diffuser, mit Ängstlichkeit gekoppelter Anspannung. Als Jugendliche stürzte sie im Turnunterricht von der Reckstange und es dauerte damals Monate, bis sie sich langsam wieder erholte.
Von ihrem Umfeld wurde sie in dieser Zeit manchmal als Simulantin bezeichnet. Doch jetzt fühlt sie sich von ihrer Therapeutin verstanden und ernst genommen.


Während die Therapeutin die Krankengeschichte aufnimmt, fragt sie auch immer wieder, wo oder wie Sybille Kraft tankt und was ihr bisher jeweils in herausfordernden Situationen geholfen habe. Sybille tut es gut, dass sie von der Therapeutin nicht nur auf ihr Gebrechen reduziert wird. Sie erzählt von der Beziehung zu ihrer Tochter, von langjährigen Freundschaften, von der Freude an ihrer Arbeit und den letzten Ferien. Bei der Erinnerung
daran, wie sie jeweils in der Morgensonne auf der Bank vor der elterlichen Berghütte ihren Kaffee getrunken hat, muss sie unweigerlich lächeln. Damit sendet sie ihrem Körper unbewusst ein Signal, dass er sich jetzt entspannen darf.


Mit lauschenden Händen

Schliesslich erzählt ihr die Therapeutin etwas über die Craniosacral Therapie. Diese Methode der KomplementärTherapie hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Osteopathie heraus weiter-entwickelt. Der Begriff ‘Craniosacral’ beschreibt den Bereich des menschlichen Körpers zwischen Cranium, lateinisch für Schädel, und Sacrum, lateinisch für Kreuzbein. Dieser Bereich ist zentral für die Gesundheit – bilden doch die beiden Pole
Cranium und Sacrum mit der Hirn- und Rückenmarkshaut eine Einheit, in welcher die Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit rhythmisch pulsiert. Diese Flüssigkeit, auch Cerebrospinalflüssigkeit genannt, nährt, bewegt, belebt und schützt unser Gehirn und Nervensystem. In der Craniosacral Therapie wird mit verschiedenen Rhythmen gearbeitet, die im ganzen Körper spürbar sind. Craniosacral Therapeutinnen nehmen mit ihren Händen die subtile Bewegung der Cerebrospinalflüssigkeit und andere unwillkürliche Bewegungen in ihren unterschiedlichen Qualitäten wahr und unterstützen mittels achtsamer Impulse deren Regulation. Die Therapeutin informiert Sybille zum Abschluss auch darüber, dass meist mehrere Behandlungen nötig sind, da es insbesondere bei einem Schleudertrauma wichtig ist langsam vorzugehen, damit das System nicht erneut überfordert wird. Ein sachtes Herantasten an die Dehnbarkeit der Muskulatur und Bänder ist entscheidend. Mit diesem Wissen legt sich Sybille mit einem guten Gefühl auf die Behandlungsliege.


Die Kraft der Stille
Auf Wunsch erhält sie eine Decke und ein Polster für unter die Knie. Erst als sie bestätigt, dass sie sich wohl fühlt, legt die Therapeutin eine Hand unter Sybilles rechtes Schulterblatt und eine Hand unter ihren Oberschenkel und lauscht aufmerksam den feinen inneren Bewegungen. Sie bietet mit dieser Berührung gleichzeitig Halt und Raum an, damit Sybilles System begleitet und langsam den dauerhaften Alarm- und Festhaltemodus des Schockmoments wieder loslassen und sich hin zu einem Gefühl von Sicherheit und Entspannung orientieren kann. In erster Linie gilt es, das System zu beruhigen, damit der Körper wieder ins Gleichgewicht findet. Sybille fühlt sich tatsächlich mit der Zeit ruhiger.
Das teilt sie auch ihrer Therapeutin mit. Sie habe das Gefühl, als würde sie zerfliessen und sich zugleich in den Raum hinaus ausdehnen. Sie spüre nicht mehr, wo genau die Hände der Therapeutin beginnen und wo ihre eigene Haut endet. Das ist typisch für die Methode.
Viele Klientinnen und Klienten berichten von tief entspannenden, beinahe meditativen Zuständen während der Behandlung und einem Gefühl der Verbundenheit mit sich und ihrem Körper.


Dann wechselt die Therapeutin die Handposition. Mit einer Hand an der Wirbelsäule und einer Hand am Hinterkopf orientiert sie sich zur Mittellinie. Wie erwartet, begegnen ihr hier ausgeprägte Muskelverhärtungen und Blockaden. Mit sanften manuellen Impulsen unterstützen die Hände Sybilles Körper bei der Selbstregulierung. Die Halswirbelsäule und der Kopf beginnen leicht zu vibrieren und geben so die durch die ruckartigen Bewegungen zugeführte Energie wieder ab. Für heute ist das genug. Nach einer integrierenden Handposition schliessen sie die Sitzung mit einem Gespräch ab. Sybille fühlt sich jetzt wieder mehr in ihrem Körper zuhause. Sie ist zuversichtlich, dass sie mit Unterstützung der Craniosacral Therapie das Trauma überwinden wird. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten geht sie fortan in die Craniosacral Therapie.


Weniger Verspannungen und Ängste
Im Falle von Sybille hat die Therapie erreicht, dass die Folgen des Schleudertraumas und die Verspannungen massgeblich verbessert worden sind. Sybille schildert, dass sie sich nach den Sitzungen oft gefühlt habe, als hätte sie zehn Stunden durchgeschlafen. Sie fühlt sich erholt und es fällt ihr auch ausserhalb der Behandlungen leichter in einen Zustand der Entspannung zu gelangen. Dank der inneren Ruhe, die Sybille durch die Craniosacral Therapie erfahren hat, kann sie zudem Angstgefühlen und Stress besser entgegenwirken.
Sie kennt ihren Körper, seine Bedürfnisse und Grenzen besser und sie kennt Übungen, die ihr helfen, sich selber zu regulieren. Dadurch fühlt sie sich in ihrem Alltag sicherer und hat an Selbstvertrauen gewonnen.


* Die vollständige Studie «Craniosacral Therapy for the treatment of chronic neck pain: a randomized sham-controlled trial (2016), Haller H*, Lauche R, et al. University of Duisburg-Essen & Witten/Herdecke, Germany» ist in englischer und deutscher Sprache zu finden unter www.craniosuisse.ch.
Bereits etwas älter ist die Pilotstudie der Universität Zürich aus dem Jahr 2001, die belegt, dass 7 von 9 Patienten mit Schleudertrauma durch Craniosacrale Behandlungen nahezu vollständig geheilt werden konnten. Eine Zusammenfassung in englischer Sprache von «Craniosacral Therapy in a series of patients with whiplash injuries and cervical distorsions (2001), Schopper C, von Wenzl B, et al. Klinik für Neurologie, Universitätsspital Zürich» finden Sie ebenfalls auf der Webseite www.craniosuisse.ch unter der Rubrik Publikationen/Medien.


Kästchen:
Die Craniosacral Therapie ist eine eidgenössisch anerkannte Methode der
KomplementärTherapie. Zusatzversicherungen übernehmen in der Regel mindestens einen
Teil der Behandlungskosten. Die Schweizerische Gesellschaft für Craniosacral Therapie
Cranio Suisse vertritt die Interessen der Craniosacral Therapeutinnen und Therapeuten in
der Schweiz. Sie zählt über 1'200 Mitglieder und setzt sich für Qualität und Anerkennung
der Methode ein.

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